Von Lumpenpazifisten und gesegneten Kanonen

die Bedeutung des Krieges in der evangelischen Kirche



Frieden schaffen mit immer mehr Waffen?
2. Teil


Dieser Abriss aus einer Familiengeschichte wie im 1. Teil geschildert, hat sich in unzähligen Varianten in den letzten 150 Jahre bei den meisten Bürgern in Deutschland ereignet. Kennzeichen ist die fehlende Verstrickung in die Leitungs- und Führungsebenen der tatsächlich Verantwortlichen. Man erhält den Eindruck, als sei Krieg ein Übel, welches wie eine Seuche über die Unschuldigen hineinbricht. Das führt dann auch zu der banalen Aussage, dass "es immer Kriege geben wird". Sie werden ja schon in der Bibel im alten Testament berichtet. Daher sind Kriege werden durch einen Gott nicht verboten, sondern anscheinend gebilligt.


Das ist nicht richtig. Denn jeder Krieg besitzt ein Tatmotiv. Gehen wir aber zunächst von einer einfacheren Untersuchung der historisch gut dokumentierten Kriege aus, um ein Tatmotiv zu ermitteln, ehe wir uns mit der theologischen Problem der Kriegsführung, wie sie aus dem alten Testament bekannt ist, befassen. Die Kriege, die mein Ururgroßvater erfolgreich mitmachte und überlebte, waren nicht seine persönlichen Kriege, sondern er war eine beliebige Spielfigur der Politik des Königreiches Preußen. Bismarck verfolgte diese gezielten Aggressionen, um aus dem Königreich Preußen am Ende ein Kaiserreich, einschließlich Nationalstaat,  zu stricken. Das Motiv war: Machtgeilheit. Erst nach der Gründung des Deutschen Reiches begann sich ein wirtschaftliches Interesse für die Waffenherstellung in großem Maßstab zu entwickeln. Es war der Beginn der Globalisierung des gezielten Todes. Jener Tod also, der den Kämpfenden zugedacht wurde, einer stumpfen disponiblen Masse, die man Untertanen nannte und nun nicht mehr wie die Provinzfürsten zuvor beliebig als Söldner und Kanonenfutter in ferne Länder vertickt werden sollten. Berühmtes Beispiel waren die Potentaten des Fürstentums “Hessen-Kassel”. Da nun auch die fanatischsten Untertanen nicht gern auf Geheiß des Herrschers einfach so sterben wollten, wie es hundert Jahre zuvor König Fritz Nr. 2 von Preußen empört ausrief, als er auf seine zurückweichenden Soldaten einprügelte: “Kerle, wollt ihr ewig leben?”, so wollten sie doch gern länger am Leben bleiben. Deshalb musste für den vaterländischen Tod ein besonderer Anreiz geschaffen werden. Man nennt das heute gewichtig: “man kommuniziert die Aufgabe der Regierung den (geistig zurückgebliebenen) Wählern”, um einen breiten Konsens zu erzielen. Dazu holt man die Wähler dort ab, (wo man sie nach erfolgter Wahl verwahrlosen ließ). Der Text in Klammern wird in Talkshows nicht ausgesprochen aber gedacht. Nun ist das mit der geistigen Kapazität so eine Sache. Denn wer erinnert sich nicht an den "Unterricht" des Unteroffiziers, der sich laut über die Doofheit seiner Untergebenen beschwert und am Ende der Dümmste von allen ist und es nur nicht merkt.


Das probate Mittel zur Beeinflussung der Untertanen des 19. Jahrhunderts bis 1918 war die Kirche. Besonders im preußischen Einflussgebiet herrschte die evangelische Kirche als sinnstiftendes und die Gesellschaft zementierendes Bindemittel zwischen dem Adel, Bürgertum einerseits und der Arbeiterklasse andererseits, welche sich langsam von diesem “Mit Gott für Volk und Vaterland” abwendete. Gleichzeitig waren sie es aber, die in den Stahlwerken, Gießereien, Schmieden und anderen verwandten Betrieben die neuen Tötungsinstrumente produzierten. Zur Erhaltung ihrer Existenz malochten sie für die Produktion dieser todbringenden Waffen, um am Ende selbst daran zu krepieren. Die Empörung war groß, als einige Kämpfer bei dem Überfall auf Belgien und nach der Erstürmung des Forts in Namur auf Kanonen der Firma "Krupp" stießen, statt dem französischen Konkurrenzprodukt "Schneider-Creuzot". Typisch für die bürgerliche Klasse, denen der Krieg nicht nur als die wirtschaftliche Konjunkturspritze galt und als Möglichkeit aus dem öden Einerlei eines bis ins Letzte reglementierten Kleinbürgerlebens zu entfliehen. Doch dieser lebensfeindliche “Circulus vitiosus” hat sich in der Rüstungsindustrie erhalten und bestimmt bis heute das Wohl und Wehe unschuldiger Menschen. Dazu benötigt man nicht einmal die Theorien des Karl Marx und Friedrich Engels. Die evangelische Kirche erkannte das auch recht schnell und schuf, wie Kurt Tucholski es treffend nannte, den "Herrgott, der in den Landesfarben der Regierung angestrichen war". Die Kirche pervertierte hier die Grundlage des neuen Testamentes, nämlich die Transformation durch den Tod zur Auferstehung, zu einem Märtyrertum, was den Gefallenen zwar keine Jungfrauen im Paradies versprach, dafür aber die Lösung all' ihrer Bedrängnisse und gleichzeitiger Wellness auf Wolke Sieben verhieß.


Der erste Weltkrieg war die komplette Desillusionierung dieser “hehren Ideale”, die heute noch unter dem "Langemarck-Mythos" rechtsextremen Bundesdeutschen verkauft wird. Für den "Mainstream", also der Durchschnittsbevölkerung finden sich viel griffigere Formulierungen, die den Umstand, dass es in erster Linie für die Profite der Rüstungsindustrie zu sterben gilt, dem modernen Zeitgeist schmackhaft machen.


In jenem Krieg, der sich nach kurzer Zeit an den modernen Festungsbauwerken festbiss, der von seiner strategischen Planung, beginnend mit dem völkerrechtswidrigen Akt der Besetzung des neutralen Belgiens, nur auf ein kompliziertes Zusammenspiel aller Heeresgruppen setzte, waren Widrigkeiten nicht vorgesehen. Das friedliche Weihnachtsfest 1914, wo man den Sieg über den Erbfeind zu feiern gedachte, fiel aus und das Weihnachten 1918 konnte mit Krüppeln, Nervenkranken, Witwen und Halbwaisen bei schmaler Kost dann als das erste Friedensweihnachten wieder begangen werden. In der Zwischenzeit wurde im Schlamm gehaust, gefroren und gehungert, dann gestürmt, Giftgas eingeatmet, zerfetzt, gesprengt und geschossen für einen Geländegewinn in Verdun, den man in einer guten Stunde zu Fuß durchwandern kann. Die durchschnittliche Todesrate in Verdun betrug öfter tausend Mann pro Tag, was aber täuscht, denn das Massensterben fand nur bei Angriffen statt. Dennoch fanden sich bürgerlich dekadente Pennäler, die diesen Krieg verherrlichten und sich selbst durch diesen Krieg definierten, ja ihren Lebenssinn dort fanden. Ernst Jünger ist der bekannteste Kriegshetzer, doch seine Epigonen, die von den Nazis als gottbegnadete Schriftsteller gefeiert wurden, mischten ebenso tatkräftig in der Weimarer Republik mit, wenn es darum ging die Demokratie zu verunglimpfen und zu unterminieren.



Halten wir fest, dass als Motiv für die Kriege 1864-1871 die Absicherung und Ausdehnung der Macht einer hauchdünnen Gesellschaftsschicht, nämlich des Adels, diente. Im ersten Weltkrieg spielte das Machtmotiv selbstverständlich auch eine Rolle, doch überlagert wurde es von den massiven Interessen einer gigantisch gewachsenen Rüstungsindustrie, die sich die Profite sichern wollten. Also strapazierte man das alte Testament mit seinen Kriegen, die besonders anschaulich im Buch der Könige und bei den Propheten beschrieben worden waren. Schließlich hatte ja da Gott stets mitgekämpft, wenn auch auf verschiedenen Seiten. Zum Einen gab es den Krieg als Strafe für die Israeliten, wenn sie ihren Lebenswandel am Zeitgeist ausrichteten, mit Götzenverehrung und sexuellen Weihehandlungen für eine Göttin oder einen angesagten Gott, was sicherlich ihnen viel mehr Freude bereitete, als den lieben langen Tag zu beten und den einen Gott zu loben, siehe "Ein Münchner im Himmel" von Ludwig Thoma. Wenn sie dann lange genug unterdrückt wurden in Gefangenschaft, Zwangsarbeit und Sklaverei, dann tauchte ein Prophet auf, der die Befreiung verkündete. Leider überlebte er meist seine Prophetien nicht, doch das israelitische Volk hatte dann gesiegt über andere Völker, wenn es sich gottgefällig genug verhielte. Sehr pointiert hat das Avi Primor einmal ausgedrückt: "Was der Fußball für die Menschen in Deutschland ist, dass ist bei uns der Krieg". Da war er nicht mehr israelischer Botschafter in der BRD, sondern befand sich ganz frisch im Ruhestand in Israel.

Ferner ist zu bedenken, dass jede Schülerin oder Schüler, die sich durch “De bello gallico” von G.J. Caesar haben kämpfen müssen, meist in Erinnerung behielten, wie jener Feldherr mit seinen Berichten sich und seine Legionen in bestem Licht darzustellen wusste. Das lässt sich zwar nicht eins zu eins auf die Erzählungen im alten Testament übertragen, aber auch dort handelt es sich um Berichte, die zuerst mündlich weiter gegeben wurden und man sie erst später aufzeichnete. Wer die Bibel verstehen will, lässt die Finger von der wortwörtlichen Interpretation. Es geht um den Gehalt, platt gesagt: "Die Moral von der Geschicht'", denn in den Kriegen, die christlich verbrämt wurden, hat noch stets jede Kriegspartei für sich in Anspruch genommen auf der Seite der Guten zu stehen. In dem Buch von mir über die Vereinbarkeit von Naturwissenschaften und Glauben an den einen Gott, was sich in der Fertigstellung befindet, gehe ich anhand eines Beispiels aus dem 1. Weltkrieg intensiv auf dieses "Mit Gott für Volk und Vaterland" ein.


  1. Was bringt Theologen dazu vorsätzlich das fünfte Gebot nur noch für bestimmte Menschentypen als eiserne Regel festzuhalten?


  1. Weshalb leistet die Kirche einem System Gehorsam, auch wenn es weder die Lebensumstände erfordern, noch eine unmittelbare Bedrohung für die Gemeindeglieder besteht?


  1. Was bringt die Kirche dazu, die sich sonst als Lebensschützerin darstellt, ihre Gläubigen zum Opfertod zu animieren?


Diese drei Fragen sind in der aktuellen Situation des Ukrainekrieges nicht ein einziges Mal seitens der evangelischen Kirche umfassend und einleuchtend für die Öffentlichkeit beantwortet worden. Stattdessen werden die Anhänger, die das fünfte Gebot für unteilbar erklären, als naive Pazifisten beschimpft, die zynisch zuschauen, wie das arme ukrainische Volk dahin gemordet wird. Denn dieser Krieg gilt als legitime Verteidigung eines militärischen Überfalls seitens Russland. Verteidigung ist daher legitim und geboten, nicht umsonst haben sich Einwohner der Städte im alten und neuen Testament mit starken Mauern gewehrt um nicht von kriegslüsternen Nachbarvölkern eingenommen zu werden.


Diese Argumentation der Friedensgegner darf auch nicht einfach weggewischt werden. Denn in der Betrachtung der deutschen Kriege in den vergangenen 160 Jahren hat es einen Krieg gegeben, der selbstverständlich aus rein wirtschaftlichen Interessen der einschlägigen Konzerne vorbereitet wurde, inklusiv einer den Konzernen genehmen Partei mit Führer an der Spitze, der aber als ein Vernichtungsfeldzug geplant war und auch mit deutscher Gründlichkeit ausgeführt wurde. Der zweite Weltkrieg diente also zweierlei Motiven. Der Steigerung der Konzernprofite ins Unermessliche und der Vernichtung von "Untermenschen", deren nun frei gewordener Lebensraum von den deutschen "Herrenmenschen" besiedelt werden sollte. Diese unterjochten und teilweise ausgerotteten Völker haben sich zu Recht gegen diese Vernichtungsstrategie gewehrt. Das wird kein vernünftiger Mensch abstreiten und bemänteln.


Eine Mitschuld der damaligen allierten Kriegsparteien ist fast nicht vorhanden. Es sei denn, man wirft den Gestaltern und Überwachern des "Versailler Friedensvertrages" vor, dass sie durch die wirtschaftliche Knebelung des Verlierers der Weimarer Republik einen Bärendienst erwiesen hatten. Sicherlich hätte ein moderater Umgang mit den Besiegten und eine völlige Umstrukturierung der Wirtschaft den Erfolg der NSDAP bremsen können, doch die Kriegsmentalität und der Wunsch nach Rache saß zu tief, so dass die Rüstungskonzerne leichtes Spiel hatten, ihre wahren Motive und geheimen Aktionen hinter der bürgerlichen Empörung über die erlittene "Schmach" zu verstecken.


In dieselbe Richtung weisen auch die Argumente von Heinrich Böll in dem Buch "Hierzulande – Aufsätze zur Zeit" in dem "Brief an einen jungen Rekruten" hin.

Er berichtet über einen Einkehrtag, den er selbst als junger Soldat absolvieren musste, wie der Pfarrer zur Rechtfertigung des Krieges den "Hauptmann von Kapernaum" als Vorbild gegenüber stellte. Diese Heilungsgeschichte, die nicht nur bei Lukas, sondern auch den anderen Evangelisten erwähnt wird, hat mit der Funktion eines Offiziersranges gar nichts zu schaffen. Es hätte auch ein Lehrer sein können, weil es in dieser Geschichte um die Frage der Glaubensstärke und nicht um die Kampfstärke geht.


Wo findet sich denn dann im neuen Testament eine Stelle, die einen Bezug zum Krieg und dem Glauben an den einen Gott besitzt? Ein Jesus-Zitat steht bei Lukas, 14,31 :

31Oder welcher König zieht aus, um mit einem andern König Krieg zu führen, und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat, ob er mit zehntausend dem begegnen kann, der über ihn kommt mit zwanzigtausend? 32Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft, solange jener noch fern ist, und bittet um Frieden.[Lutherübersetzung, 2017]


Das hat nun wirklich wenig mit der Rechtfertigung vom Töten im Kriegsfall zu schaffen. Vielmehr ist es nur ein Beispiel unter mehreren mit den Jesus seinen Jüngern klar machen will, was es mit der Christus-Nachfolge auf sich hat.


Dagegen verbeißen sich die Kritiker eines "naiven Pazifismus" in die sogenannte Bergpredigt des Evangelisten Matthäus. Besonders die Verse aus Matthäus 5, 28-32 mit den hinzuhaltenden Backen, falls jemand auf eine schlagen sollte, dient als Beleg dafür die "Pazifisten" als geistig zurückgebliebene Naive mit einem Kinderglauben darzustellen.

Das ist verständlich, wie sollte man denn sonst auch die Kriegsgräuel in so edlen Kriegen wie dem Vietnamkrieg anders rechtfertigen, als mit strategisch notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der großartigen Demokratie eines Ngo Dinh Diem - Regime in Süd-Vietnam und Niederschlagung des Kommunismus. Günter Meinhold fährt als Theologe und ehemaliger Dozent am Luth. theol. Seminar in Leipzig nun gerade nicht die "dicke Berta" ins Feld, sondern unterscheidet drei verschiedene Arten der Vergeltung. Die "Ich-Vergeltung", die "Rechts-Vergeltung" und die "Liebes-Vergeltung", wozu er die oben angegebenen Verse aus dem Matthäus-Evangelium zur "Liebes-Vergeltung" rechnet. Angereichert mit der obligatorischen "Zwei Reiche-Theorie" Martin Luthers räumt er das Feld Pazifismus kurzerhand ab, weil seiner Meinung ein Staat mit der "Liebes-Vergeltung" weder existenz- noch handlungsfähig ist. Was mich nur wundert, dass es sich im 21. Jahrhundert noch nicht herumgesprochen hat, das die Dialektik keine altstalinistische Erfindung der Herren Marx, Engels und Lenin ist, sondern gerade das neue Testament dialektisch verstanden werden muss.


Schon das Gewicht, was Jesus auf das "Gesetz" legte, ist doch bereits eine Richtschnur zum friedlichen Überleben in einer Gemeinschaft. Dass sich das Gesetz verselbständigt hatte und es nur um seiner selbst befolgt werden musste bis auf das letzte Komma – das ist bis heute eine besonders bei deutschen Politikern eingebrannte Leidenschaft. Man denke nur an die ständigen "Gesetzesverschärfungen" der jeweiligen Innenminister. Getreu dem Motto: "Haben wir ein Gesetz, so gibt es keine Straftaten mehr, die gegen dieses Gesetz verstoßen. Finden doch welche statt, so werden wir die Gesetze nachschärfen, (bis der Staatsanwalt sich dran schneidet und die dämlichen Medien und die fiese Opposition aufhören uns zu kritisieren)." Ich nenne diese Sichtweise naiv – oder falls man damit allerdings den demokratischen Rechtstaat scheibchenweise zersäbeln will – eine schwere Straftat.


Vielmehr sind doch diese Verse, die Jesus allen verkündete, sinnvolle Überlegungen, die sich aus den unweigerlichen Gesetzesübertretungen ergeben.


Eine für Schüler immer vergnügliche Geschichte ist die kurze Schilderung eines Nachbarschaftsstreits von Gerhard Zwerenz. Eine ausgeliehene Bratpfanne bei der Nachbarin und die nicht erfolgte Rückgabe endet nach kriegerischen Scharmützeln in einem nuklearen Erstschlag. Geschrieben im Jahr 1962, auf dem Höhepunkt der Verharmlosung der Wirkung von Kernwaffen und des kalten Krieges. Aus dieser Sicht ergibt das Zitat aus Lukas 14, wo ein König zuerst die politischen Folgen abschätzt, ehe er mit seinem Angriff beginnt, einen völlig neuen Sinn. Nicht die Tatsache, dass Kriege stattfinden ist Gegenstand seiner Betrachtung, sondern die Lösung solcher Probleme, die zu einem Krieg führen können. Es ist eine politisch vorausschauende Sichtweise. Betrachten wir nun einen Menschen, ein Volk, dem Unrecht zugefügt wurde. Dann wäre es doch zunächst sinnvoll nach den Ursachen und den Motiven zu forschen. Daraus kann man eine Strategie der "Vergeltung" entwickeln, welche das Unrecht nicht weiter ausufern lässt und zugleich eine blinde Rache verhindert. Am Ende muss dann eine Lösung gefunden werden, die die Ursache ein für alle Mal beseitigt. Denn jeder Verletzte, jeder Tote ist einer zu viel. Es gibt keine Schranke für die Anzahl der Leichen, von der ab man ernsthaft Verhandlungen ins Auge fassen muss. Wer also als Verteidiger aus welchen Motiven auch immer, einen Krieg verlängert um am Ende als der Gute und Superheld sich feiern zu lassen, gar noch den Friedensnobelpreis dafür abzustauben – der ist nicht besser als der Aggressor. Das ist die andere Interpretation von dem Streich auf die eine Backe. Eine andere Variante davon ist die Erklärung des Hinhaltens und der Präsentation der anderen Backe zum "Ketzerstreich" vor dem Hohepriester und damit eine Aufforderung zu seiner Überzeugung zu stehen. Ein schönes Beispiel der Dialektik – denn beides trifft auf die "naiven Pazifisten" zu.


Dagegen unterscheidet die blinde Parteinahme zwischen "guten" Toten und "bösen" Toten. Deutlich an den Kriegsgräbern mit weißen und mit schwarzen Kreuzen, wie sie nach dem ersten Weltkrieg aufgestellt wurden. Durch die Dialektik der Bibel bleibt auch bei den alttestamentlichen Kriegen, wo Gott Schützenhilfe leistete, diese Frage offen, sie stellt sich auch heute, wer von den aktuellen Kriegsparteien der gegenwärtig 50 Kriege, die auf dem Erdkreis stattfinden, auf der Seite der "Guten" steht. Wem gebühren die weißen Kreuze und wer erhält die schwarzen Mahnmale als gefallener Aggressor?


Daher lautet die Antwort auf die erste Frage: die evangelische Kirche hat keine eindeutige Position zur Rechtmäßigkeit von Verteidigungskriegen im derzeitigen Ukraine-Konflikt bezogen, da sie offenkundig der Obrigkeit im Falle der “Rechts-Vergeltung” allein verpflichtet ist, während eine Minderheit auch die “Liebes-Vergeltung” als wichtigen Beitrag zur Beendigung des Krieges fordert.


Übrigens ist in der Luther-Forschung nicht erwiesen, ob seine Ablehnung der Bauerkriege allein seinem Obrigkeitsdenken geschuldet ist, anstatt einer ebenso möglichen Weitsicht, dass dieser Konflikt seitens der Bauern nicht zu gewinnen war und die Rache des Adels viel schlimmere Grausamkeiten nach sich ziehen würde. Denn genau dieses geschah nach der verlorenen Schlacht bei Frankenhausen.


Bisher wurde der Krieg ja aus biblischer Sicht diskutiert. Im ersten Teil dieses Essays wurde dagegen anhand einer einfachen Familiengeschichte herausgearbeitet, dass die Bevölkerung Spielball von Konzerninteressen im Kriegsfall ist und am Ende dies bitter bezahlen muss. Betrachten wir die vergangenen fünfzig Jahre, so ist deutlich zu erkennen, dass hinter all' den Kriegen politische Strategien sich verbargen und die Interessen der Rüstungs- und anderen Konzerne völlig verborgen bleiben. Bezeichnenderweise kaschierte die westliche Welt diese Kriege als "Kriege für die Freiheit", während der östliche Block von der "Unterstützung der Freiheitsbewegungen in den vom westlichen Imperialismus unterdrückten armen Länder" sprach. Beide Seiten erheben Anspruch auf die "Freiheit". Dieser Begriff muss also offenbar erst passend gemacht werden, denn Rosa Luxemburgs Zitat von der Freiheit der Andersdenkenden stellt ja die Antithese dar. Wem gilt denn nun diese Freiheit? Für die Zivilbevölkerung wohl kaum. Es sei denn man fasst das Ableben von Familienangehörigen als Befreiung auf. Eine solche freidemokratische Sicht würde sich dann eher mit der Springerschen Oberstudienratszeitung "die Welt" decken, wo gelangweilte Luxusspießer im Feuilleton über Arbeitslosigkeit im fortgeschrittenen Alter als "einmalige Chance und Befreiung zu einer völlig neuen Zukunft" schwadronieren. Zugegeben, auch das Ableben entpuppt sich für die lachenden Erben als eine Chance für eine ungeahnte neue Freiheit, doch während eines Krieges ist die Erbmasse wohl realistischer als ein zeitlich begrenztes Darlehen zu begreifen, was dann vielleicht noch für ein standesgemäßes Begräbnis reicht. Doch das ist im Krieg eher höheren Offizieren vorbehalten, das gemeine Volk hat als Erinnerung dann bestenfalls noch die Schattenbilder der Verblichenen auf dem Mauerwerk, den der Lichtblitz bei der Detonation der Kernwaffe in den Stein einbrannte.


Die politischen Gründe zur Kriegsführung stellen lediglich ein höheres frei disponibles Vermögen für die Aktienbesitzer der Rüstungs und Grundstoffkonzerne dar. Die Freiheit, wofür der Normalbürger sein Leben lässt, wäre meistens für ihn gar nicht erstrebenswert. Wohlgemerkt, wenn es sich nicht um einen Vernichtungskrieg wie den zweiten Weltkrieg handelt, wo die Ermordung bestimmter Volksgruppen bereits vorher als das Ziel bestimmt wurde.


Das führt zu der zweiten Frage, warum die Kirche sich also einem offensichtlich atheistischen Obrigkeitsdenken anschließt, ja die Todsünde des Mordes versucht zu relativieren, wenn es keine Notwehr einer zu schützenden Bevölkerung darstellt. In der Nazizeit hat sich der überwiegende Teil der Theologen in seine innere Beschaulichkeit mit der sich selbst verordneten Gnade Gottes begeben, ein weiterer großer Teil teilte den Segen mit erhobenen rechten Arm aus und gefiel sich mit Hochzeitsgottesdienst unter dem Hakenkreuz aus Fichtengrün, wie bei der Trauung einer gewissen Lina von Osten und einem Reinhard Heydrich, während eine verschwindende Minderheit sich zur bekennenden Kirche zusammenschloss. Jene Minderheit der „bekennenden Kirche“ geriet nach dem zweiten Weltkrieg zu den Alibichristen, die die Entnazifizierung der belasteten Landeskirchen bewirkten, wobei die "Braunschweigische Landeskirche" wie das Adjektiv "braun" bereits aussagt, zuvor besonders treu dem Führer ergeben war.

In der Nachkriegszeit führte sich die evangelische Kirche als "Versöhnende" auf, weshalb sie ihre Tore für ein sehr weltliches, nationalkonservatives Denken ihrer verstörten Schäfchen öffnete. Es brauchte dreißig Jahre bis die Kirche die Kraft fand sich von der Gedankenwelt einer CDU/CSU zu lösen und ein differenziertes Weltbild zu vertreten. Am Ende stand dann das Engagement in der Friedensbewegung. Doch niemals betrachtete sich die evangelische Kirche als Vermittlerin von Grundwerten, deren Einhaltung offensiv gefordert werden. Sie begreift sich auch heute noch, sogar noch mehr als vor dreißig Jahren, als eine Gottes unendliche Liebe umfassende Klammer ihrer Gemeindeglieder. Betrachtet man dazu allerdings Matthäus 6,24, der Unmöglichkeit zwei Herren gleichzeitig zu dienen, stellt sich doch die Frage, ob es sich bei der heutigen Klammer um eine so hochtheologisch selbige handelt oder um eine sehr profane Klammer, die sich "Kirchensteuer" nennt.


Jedenfalls ist kein plausibler Grund zu erkennen, warum die Kirche den offiziellen politischen Richtlinien einer Bundesregierung folgt und einseitig Partei ergreift.

Es sei denn, dass der Mammon wichtiger als der Urheber dieser Gemeinschaft ist. Wenn ein Finanzminister, der aus Kostengründen aus der Kirche ausgetreten ist, doch in einer geweihten Kirche eine rituelle publicityträchtige Trauung aus rein medialen Gründen aufführen kann, dann fragt sich der kritische Bürger doch, worin denn nun der besondere ethische Anspruch der evangelischen Kirche begründet ist. Damit ist die Antwort auf die zweite Frage sehr unerfreulich.


Sie stellt also die weltliche Obrigkeit über die geistliche.


Die dritte Frage berührt natürlich die Vergangenheit, wo das Kanonensegnen noch ein fester Brauch war und Feldgeistliche ihre Gottesdienste an der Front abhielten, soweit es möglich war. Der Soldatentod galt als ehrenvoll und gottgewollt, da der liebe Gott ja automatisch mit den "guten" Kämpfern ist. Doch hat am Ende der erste Weltkrieg die Hurra-Patrioten, sofern sie überlebten, meist zu nachdenklichen Bürgern verändert. Einmal abgesehen von solchen Militaristen wie Ernst Jünger, der aber auch bekannte: „...ein Schlachten war es, keine Schlacht zu nennen..." Sicher ist diese Erkenntnis kaum als Begründung zur Ablehnung der "naiven oder gar Lumpenpazifisten" tauglich.


Denn bis heute wird von der Obrigkeit versucht keinesfalls das Volk zu demoralisieren, sondern es werden vorsätzlich Illusionen vom Überleben des Tüchtigen geweckt und propagandistisch ausgeschlachtet. Mit der rechten Gesinnung und vorausschauendem Handeln besitzt man im Krieg eine gute Chance davon zu kommen. Die Aktentasche auf dem Kopf, die britischen Großeltern, die aus ihrem Wohnzimmermobiliar einen kleinen Bunker bauen, die amerikanischen Kinder mit „dug dug and cover!“


Schon im ersten Weltkrieg entschied der Zufall zwischen Leben und Tod. Diese Methode wurde bis heute verfeinert. Wer also einer stärkeren Aufrüstung das Wort redet und Waffenlieferungen für diesen ominösen "Verteidigungsfall" zustimmt und dies zur zulässigen Verteidigung umtauft, der nimmt leider auch stillschweigend in Kauf, dass beliebig viele Unschuldige dafür sterben werden.


Sehr Strenggläubige dürfen natürlich meinen, dass der liebe Gott immer seinen Finger am Abzug oder am Knopf zum Auslösen einer Bombe hat. Sie trifft dann eben nur die Sünder, oder die Enkel eines notorischen Sünders. So etwas wird dann in evangelikalen Kreisen in den Landeskirchen oder in der evangelischen Allianz gern geäußert – aber auch die gegensätzliche Ansicht von der alles überkleisternden "Liebe Gottes" taugt als Begründung für ein solches Verhalten nicht.


Es muss Jedem bewusst sein, dass er sich selbst nicht freikaufen kann von Schuld, was auch nicht nur die Ansicht von Margot Käßmann ist.


Je automatisierter eine Kriegsführung ist, desto höher ist der Grad der moralischen Verworfenheit. Was im zweiten Weltkrieg noch möglich war, sich durch Überlaufen oder geschicktes Ergeben auf die lebensrettende Seite zu begeben, wird durch moderne ferngesteuerte Waffen unmöglich gemacht. Es gilt also nur noch der Erfolg durch gezielte Tötung ohne Ansehen der Person, ob Zivilpersonen oder Kämpfende. Am Ende des zweiten Weltkrieges, als die Soldaten aus "God's own country", also die durch ihre Geburt automatisch "Guten", noch die Wirksamkeit einer Kernwaffe an einer Zivilbevölkerung ausprobieren mussten, da entstand zum ersten Mal die Situation einer Bedrohung ohne jegliche Schutzvorkehrungen, eines aus heiterem Himmel kommenden grässlichen Todes durch Verbrennen, das Hinsiechen durch zu hohe Gamma-Strahlung oder der Einnahme von alpha-Strahlern durch Wasser oder Nahrungsmittel. Wer im engen Kreis der Detonation verdampft, gehört dann eher zu den Auserwählten – man hat es dann hinter sich.


Genau diese Konsequenzen einer Politik, die Krieg in ihr Kalkül einbezieht, war Gegenstand der Proteste einer Friedensbewegung, der sich beide großen Kirchen anschlossen und evangelische Kirchentage dies thematisierten. Doch kaum war der Ukrainekrieg ausgebrochen, wurden diese Initiativen als pazifistische Romantik seitens der evangelischen Kirche diffamiert und stattdessen die Notwendigkeit der Aufnahme und Hilfe von Flüchtlingen als Beitrag zum Kampf gegen den russischen Agressor stilisiert und glorifiziert. So, wie eine Vizebundestagspräsidentin Göring-Eckardt es als ehemalige Organisatorin von Kirchentagen es für absolut notwendig findet, dass auch schwere Waffen in die Ukraine geliefert werden um den Sieg zu erreichen. Dass Waffen Kriege verlängern und die Zahl der Toten immer weiter vergrößert, wird als Kollateralschaden bezeichnet. Seitens der Kirchen wurde diesen Äußerungen nicht widersprochen. Ebenso unwidersprochen blieb das Raunen über den sogenannten nuklearen Erstschlag in der allgemeinen Begeisterung, obwohl sogar öffentlich in Talkshows darüber fabuliert wurde und eine Außenministerin offen verkündete, es sei das Ziel Russland zu ruinieren.

Die Antwort auf die 3. Frage lautet: "Sie weicht einer Konfrontation mit der Obrigkeit aus und wird durch das Verbiegen neutestamentlicher Aussagen unglaubwürdig. Angesichts der Jahreszeit kann von einer Pflaumenweichheit gesprochen werden, mit der ein weiteres Sinken der geistigen Bindungskraft für die schwindende Anzahl ihrer Mitglieder verbunden ist."

An dieser Stelle soll noch einmal aus wissenschaftlicher Sicht die nukleare Bedrohung und ihre Konsequenzen erwähnt werden. Den wenigsten Deutschen beiderseits der alten Staatsgrenze war wohl klar, dass im Kriegsfall nach wenigen Tagen BRD und DDR nicht mehr existieren würden - mangels lebender Bevölkerung.  Angefangen von „Verteidigungsringen“, wo in den strategisch wichtigen Bundesstraßen, die von Ost nach West verliefen, Sprenglöcher angelegt wurden, die mit Nuklearwaffen im "Ernstfall" bestückt werden sollten. Ferner bestand im Westen der BRD der Nike-Hercules Gürtel, während in der DDR die meisten Lager unterirdisch angelegt und schlechter zu lokalisieren waren. In jedem Fall ist es bis heute eine Illusion zu glauben, man könnte einen nuklearen Krieg überleben. Ein Ausschnitt aus der"kleinen Encyclopädie Physik" erschienen 1986 im VEB Bibliographisches Institut Leipzig zeigt in kurzer prägnanter Form die wesentlichen Auswirkungen einer Kernwaffendetonation. Unter dem Äquivalent kt/TNT wird die Sprengwirkung einer Kernwaffe mit der Sprengwirkung von TNT = Trinitrotoluen verglichen. Ein Äquivalent von 1kT entspricht einer Explosion von 1000 t TNT. Die Bombe auf Hiroshima hatte ein Äquivalent von 13 kT TNT und die Bombe auf Nagasaki 22 kT. In Potenzen angegeben: 1,3*107 kg TNT bzw. 2,2*107 kg TNT


Angesichts der nüchternen Tatsachen, die in dem Ausschnitt geschildert werden, mag man sich vielleicht beruhigen, dass kein vernünftiger Mensch auf die Idee käme diesen europäischen Weltuntergang, der leicht zu einem globalen werden könnte, einzuleiten.

Dem gegenüber stehen zahlreiche falsche Alarme, die nur durch glücklich Zufälle vor jener Katastrophe bewahrten. Kurt Tucholski hat einmal aus juristischer Sicht die Sinnlosigkeit der Verhinderung einer Straftat mittels Abschreckung entlarvt. Kein Straftäter geht davon aus, dass sein Plan missraten könnte. Das gilt auch für strategische Kriegsplanungen, die im Falle des Ukrainekriegs schon in den ersten Tagen dieser Aggression aus dem Ruder liefen. Deshalb muss es aus der Sicht des engagierten Christen ein offenes Handeln gegen diese Abschreckungsstrategie geben, statt bei erfolgtem Kriegseintritt über die Rechtfertigung zur massiven Vergeltung zu grübeln oder gar Vergeltung als unabdingbare Reaktion auf erlittenes  Unrecht festzuschreiben.


Erst recht muss doch eher die Frage beantwortet werden, wie kam es zu dieser Eskalation? In der Friedensforschung gibt es eine Eskalationsleiter an deren Ende der Krieg steht. Betrachten wir die Geschichte nach 1945 so ist eigentlich nur ein roter Faden zu verfolgen. Er beginnt mit dem Streben nach Weltherrschaft. Die besaß derjenige, der über Massenvernichtungswaffen verfügte. Was legitimerte die USA zur Weltherrschaft? Dass sie sich als die wahren Christen betrachten, die sich zum Vollstrecker des Willen Gottes selbst ernannten? Bisher habe ich nicht bemerkt, dass Führer der christlichen Kirchen diese Frage überhaupt stellten. Im Gegenteil, die USA wurden als Hort der Freiheit und Demokratie angesehen. Das mag man als politische Ansicht auch durchgehen lassen. Doch, sich selbst als Nation zu betrachten, die sich selbst zum Racheengel erhöht, hätte eigentlich jeden Kenner des neuen Testamentes nicht nur hellhörig werden lassen müssen, und ihn auch zu verpflichten die Psychiater auf ein neues Syndrom aufmerksam zu machen. Die Sowjetunion hatte es mit der atheistischen Sichtweise wesentlich leichter. Die Staatsführung musste sich nicht rechtfertigen für ihre Unterdrückung, sondern sie erklärte ihr Handeln mit der ständigen Bedrohung. Die Volksrepublik China war mit sich selbst, Hongkong und Taiwan beschäftigt, so dass der ideologische Zweikampf zwischen USA und Sowjetunion unter Zuhilfenahme Europas ausgetragen wurde. Allein diese Tatsache, das die Werte eines getauften und engagierten Christen ad absurdum geführt werden, hätte eine eindeutige Stellungnahme der Kirchen erfordert. Stattdessen hielt man sich aus dieser Grundsatzfrage dezent zurück. Es hätte ja auch nur Nachteile gebracht. Jahrzehntelang hieß es, die Kirche soll sich nicht in das politische Tagesgeschäft einmischen. Das ist völlig im Sinne des „niemand kann zwei Herren gleichzeitig dienen." Als dies dann aber durch die Proteste der Vietnamkriegsgegner nicht mehr zu übersehen war, drehte sich die Fahne im Wind und es war opportun den Frieden zu fordern. Hm, was gilt denn nun, welchem Herrn dient denn die Kirche? Im Jahre 2022 jedoch wird wieder die Richtung gewechselt. Das ist aber interessant. So etwas nennt sich Opportunismus und widerspricht der Botschaft des neuen Testamentes. Denn die Theologen sollten nicht vergessen, dass Jesus auch auf die Welt kam um eben gerade mit einer übersättigten Priesterkaste aufzuräumen, um die Gläubigen auf die Grundsätze ihres Glaubens zurückzuführen. Denn in dieser Zeit hatte sich, genau wie heute, jene Mentalität gefestigt, den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und sich in seinen Alltagsgeschäften nicht von ihm abhalten zu lassen. Zum Ausgleich wurden ein paar idiotische Regeln verselbständigt und zum obersten Gesetz erklärt. Das machte es einfach sich von Anderen abzugrenzen. Jetzt will sich die Kirche also von den Pazifisten abgrenzen?


Gegen den Krieg zu sein, heißt gegen die Volksmeinung sich zu stellen, wenn die Bürger durch Einpeitscher, vornehm „nudging" genannt, zu Befürwortern von Hochrüstung und Kriegslust deformiert werden sollen. Pazifismus ist eben nicht das bequeme Zuschauen vom Sofa aus, wie sich andere umbringen, sondern der aktive Einsatz gegen das fünfte Gebot und der Tatsache, dass es im Krieg immer Gewinner gibt, denen riesige Profite beschert werden, während andere den Löffel abgeben, verkrüppelt werden und am Ende sich der Krieg immer weiter verlängert und verbreitet. Was sich hier Hilfe zum Widerstand nennt, ist in Wahrheit der unausweichliche Marsch mit der Folge selbst Kriegspartei zu werden.


Selbstverständlich ist für mich und für meine Nachbarn der verlorene zweite Weltkrieg mit Hilfe der Alliierten eine Befreiung gewesen. Doch, wenn man die Geschichte studiert, war es ein Krieg, der auch von der Rüstungsindustrie gefördert wurde, aber als Vernichtungskrieg geplant war. Es fehlt also die entsprechende Eskalationsleiter, wie sie den meisten Konflikten vorausgeht. Daher kann das Argument, dass der Pazifist eben dann auch sich hätte töten lassen müssen, einer Prüfung nicht standhalten.


Eine Kriegsvermeidung muss sich an den Motiven zu staatlicher Gewaltanwendung orientieren. Der Einzelne erlebt sich als hilflos – deshalb sollte die Gemeinde der Ort sein, wo sich die Hilflosen versammeln und gemeinsam die tatsächlichen Problemlösungen organisieren. Es ist nicht allein damit getan, dass die Todesindustrie wirtschaftlich zerstört wird, es bedarf eben der Schaffung erträglicher Lebensumstände für Jeden. Nur die Wertschätzung aller Menschen auf dieser Welt, die genug beschäftigt sind für sich selbst und ihre Familie zu sorgen, senkt die innere Bereitschaft zu gewaltsamen Lösungen. Man ahnt es, mit Almosen zu Weihnachten ist es nicht getan. Die Grundfesten des vorherrschenden wirtschaftlichen Systems sind nicht mehr stabil, die Ungerechtigkeit und damit der Versuch etwas durch Anwendung von Gewalt zu verändern wächst. Die Freiheit, für die es sich zu kämpfen lohnt, ist die Freiheit von Bedrohung durch Gewalt, die Befreiung von wirtschaftlichen Zwängen, welche die Existenz grundlegend gefährden und die Suche nach gerechten Problemlösungen. Nichts anderes ist der Auftrag, der den Jüngern im neuen Testament erteilt wurde.


Von einer Erfüllung der Wünsche von Politikern, anderen Potentaten und Tyrannen ist im neuen Testament nirgendwo die Rede. Selbst dem Kaiser sollte nur die notwendige Steuer zustehen. Es wird Zeit sich auf diese einfachen Grundsätze wieder zu besinnen.


Pazifismus ist die aktive Vermeidung von Krieg.

Merkwürdig ist jedoch, warum an dieser Stelle das Wort des Apostel Paulus, der doch sonst so gern zu jedem Anlass von den Pastores zitiert wird, bei dieser Grundsatzfrage keine Beachtung findet.

"21Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern überwinde es durch das Gute!"

Brief des Paulus an die Römer Kap. 12, 21 (GNB- Gute Nachricht-Bibel)














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